Mein Besuch der Kanti war alles andere als selbstverständlich, weil das Akademiker-Umfeld den Eltern fremd war. Wir wohnten damals in Zug an der Schlachthausstrasse (heute Ahornstrasse) und mussten als Kinder – aufgrund der Erkrankung des Vaters – früh lernen, auf eigenen Füssen zu stehen. In der dortigen Umgebung habe ich alles Mögliche erlebt, was zwischen Menschen geschehen kann – regelmässige Auftritte der Polizei gehörten auch dazu.
Nach der Primarschule im Schulhaus Guthirt besuchte ich die Sek A an der St. Oswalds-Gasse. Der Klassenlehrer Kurt Holzmann erschien eines Tages bei uns zuhause und konnte meine Eltern überzeugen, dass der Wechsel in die Kantonsschule an der Hofstrasse das Richtige sei. Und so begann meine Kanti-Zeit im Sommer 1959 mit der ersten Klasse am Gymnasium. In meiner Klasse waren zusätzlich auch Schüler des Typus B (mit Latein), im Typus C waren wir jedoch bloss zu siebt, das hiess, dass wir während der Hälfte der Schulzeit exklusiven Privat-Unterricht in einer familiären Kleinklasse erlebten, Spicken war chancenlos.
Ein besonderer Höhepunkt ergab sich ausserhalb der Schulstunden. Der engagierte Turnlehrer Martin Grischott organisierte die Teilnahme an Sportstafetten. Erstmals für den Anlass in Arosa formierte er aus verschiedenen Kanti-Klassen ein elitäres Kanti-Team, bestehend aus mehreren Läufern für unterschiedliche Distanzen und einem Bergläufer, einem Schwimmer für die Crawl-Traverse im kalten Aroser Untersee, einem Ruderer und einem Velofahrer. Der Abschluss der Stafette erfolgte durch einen Schützen, der vor dem Zieleinlauf sechs Ballone treffsicher zum Platzen bringen musste.
Aufgrund meines Erfolges in der Innerschweizer Rad-Meisterschaft durfte ich die Strecke mit der doppelten Velo-Umrundung zum Obersee fahren. Meine Rennradfahrer-Laufbahn hatte ich inzwischen beendet – infolge von bösen Stürzen in grösseren Fahrerfeldern (damals ohne Helm) und nach abschreckenden Einblicken in die damalige Doping-Szene. Ohne das Versagen des Schützen hätten wir mit grossem Abstand gewonnen – aber das grosse Finale durften wir als Team danach trotzdem im Försterhaus in Thusis bei den Eltern von Martin Grischott feiern – mit exquisiten Bündner Spezialitäten, einer hochromantischen Wald-Übernachtung und einer abenteuerlichen, begleiteten Förster-Exkursion auf den wilden Glas-Pass.
Ich war technisch interessiert und absolvierte das Studium des Maschinenbaus an der ETH. Noch vor Ende des Studiums erhielt ich eine Stelle bei der Firma IBM, die Hochschul-Absolventen suchte. Meine erste Projekt-Aufgabe war der Aufbau des – weltweit ersten – digitalen Zahlungsverkehrs bei der SKA (Schweizerischen Kreditanstalt). Mit dessen Inbetriebnahme endete das mühsame monatliche Schlangestehen für Einzahlungen am Postschalter. Parallel dazu wurde auch die Basis für das «Electronic Computing» bei Banken geschaffen. Weitere spannende Projekte folgten. Die Informatik gewann rasant an Bedeutung und ich lernte programmieren, viele Jahre bevor die Maus die Arbeit am Computer wesentlich vereinfachte. Mein Wissen und die Erfahrungen konnte ich später in Kursen weitervermitteln.
Gerne erinnere mich an die Kanti-Jahre, sie waren «e gueti Zyt», weil sie viele Kontakte mit sehr positivem Einfluss zur persönlichen Inspiration und Weiterentwicklung mit sich brachte. Wir treffen uns seit Jahren immer noch regelmässig, zurzeit fast jeden Monat zum Essen und persönlichen Austausch.
In Erinnerung bleibt mir die Einladung an meine damaligen Mitschüler zur Vorführung des ersten Personal Computers. Obwohl keine 50 Jahre her, wurde damals zu dessen Einsatz-Tauglichkeit eher gewitzelt.
Text: Emil Ringger / Christa Kaufmann, März 2024
Foto: ZVG