Ich bin als älteste von drei Schwestern in einer Familie in Baar aufgewachsen. Bei meinem Eintritt in die Kanti im August 1975 war niemand aus der näheren Verwandtschaft je an einem Gymnasium gewesen. Durch die damalige Übertrittsprüfung in der 6. Primarklasse hatte ich innerhalb der Zwölf-Prozent-Quote die Zuweisung dazu bekommen. Ich war neugierig auf diese Schule, im Geschichtsunterricht über die Römer hatte ich schon einige Wörter Latein kennen gelernt …
Meinen Eltern bin ich dankbar, dass sie mir den Kantibesuch ermöglichten – einer Cousine war das trotz Berechtigung von ihren Eltern aufgrund des Rufes der Kanti als Drogenumschlagplatz verwehrt worden.
Die Kantijahre waren für mich eine gute Zeit, es taten sich neue Welten auf, welche bei mir Interessen fürs Leben weckten und vertieften: Sprachen lernen und Einblick in die Literatur bekommen, eindrückliche Theateraufführungen an der Kanti besuchen und selber mit der Klasse Szenen aus Shakespeare spielen. Die Reise mit dem ganzen Kantijahrgang an die Art Basel 1980 war für mich ein besonderes Erlebnis: Meine Klassenkollegin Christa Huber und ich fuhren mit dem Tram zum Wenkenpark, um die Freilichtausstellung zu besuchen. Die Kunstwerke von Niki de Saint-Phalle, Tinguely und anderen beeindruckten mich tief. Auch besuchte ich öfters Konzerte von Schulkolleginnen und -kollegen und wir durften mit der Klasse eine Opernaufführung in Zürich erleben. Gerne beschäftigte ich mich auch mit Geschichte und Geografie. Den Büchergutschein, den ich als Maturapreis bekommen hatte, verwendete ich für ein anthropologisches Buch.
Es taten sich neue Welten auf, die bei mir Interessen fürs Leben weckten.
Ich hatte so vielfältige Interessen entwickelt, dass ich Mühe hatte, mich für eine Studienrichtung zu entscheiden. Weil in meiner Freizeit Sport für mich das Wichtigste war, wollte ich Turnlehrerin werden, schaffte jedoch die dazu nötige Aufnahmeprüfung an die ETH nicht. Ich wählte dann Mathematik, doch mein Einstieg an der Uni entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen: Mich so in diese Thematik zu vertiefen, packte mich nicht. Nach drei Wochen ging ich in die Studienberatung und entschied dann, die für meine breit gefassten Interessen geeignetere Ausbildung zur Sekundarlehrerin zu beginnen. Diese wurde im fachlichen Bereich damals zu grossen Teilen an der Uni Zürich absolviert. Da kam ich in den Genuss von ausserordentlich interessanten Vorlesungen, zum Beispiel in Literatur von Peter von Matt, in Linguistik von Horst Sitta und Ring-Vorlesungen in Frauengeschichte, damals ein ganz neues Fach.
15 Jahre unterrichtete ich als Oberstufenlehrerin Sprachen, Geschichte, Geografie und Sport, dann gab ich diese Tätigkeit zugunsten des politischen Amtes als Gemeinderätin in Baar auf. Mit Daniel Imfeld hatte ich inzwischen eine Familie gegründet. Er wie auch unsere zwei Kinder Samuel und Tabea haben die Matura an der Kanti Zug gemacht. In den 20 Jahren in der Exekutive konnte ich meine Vielseitigkeit sehr gut ausleben: Während ich als Schulpräsidentin für die Bildung zuständig war, arbeitete ich mich auch in Bereiche wie Bauen, Soziales, Finanzen und vieles mehr ein. Mir war es wichtig, die Themen zu kennen, bei denen ich mitentscheiden konnte. Es waren spannende Jahre im Gemeinderat. Nun bin ich als Lernbegleiterin im Asyl- und Flüchtlingsbereich wieder zur ursprünglichen pädagogischen Tätigkeit zurückgekehrt.
Text: Sylvia Binzegger/Christa Kaufmann-Huber, September 2023
Bilder: ZVG / Martin Grischott